Industrialisierung

Definition:

  • Prozess eines tiefgreifenden Wandels in Wirtschaft und Gesellschaft
  • Umbruch der Produktions-, Arbeits- und Lebensverhältnisse der Menschen
  • setzte in England um 1770 ein und prägte das 19. Jhd. über Europa hinaus

Merkmale:

  1. dauerhaftes Wirtschaftswachstum
  2. wissenschaftliches Denken >> Fortschritt
    • Entwicklung neuer Arbeits- und Antriebsmaschinen (Dampfmaschine, Ottomotor, ...)
    • massenhafte Ausbeutung der natürlichen Rohstoffe
  3. Entstehung des Fabriksystems
    • maschinelle und arbeitsteilige Herstellung von Produkten
    • Entstehung von spezialisierter Lohnarbeit
  4. Entstehung von nationalen und übernationalen Märkten
    • Modernisierung der Verkehrswege und -mittel
    • neuartige Kommunikationstechnik
  5. Zusammenbruch der alten Agrargesellschaft
    • Bedeutung von Leibeigenschaft und feudalen Bindungen und Lebensweisen gehen verloren

Übergang von Hand- zu Maschinenarbeit
Ersetzung tierischer und menschlicher Kraft durch Maschinen- und Naturkraft
Fabriksystem ermöglicht diese Entwicklung
Herausbildung von Klassen:

1. doppelt freier Lohnarbeiter2. Unternehmer (Eigentum an Fabrik und Maschinen)


England - Mutterland der Industrialisierung

Ursache:
  • zwischen 1550 und 1600 >> Aufstieg zur Großmacht
  • Veränderungen in der Landwirtschaft
  • Entstehung eines einheitlichen Binnenmarktes
  • Gesellschaftsstruktur veränderte sich
Verlauf:
  • Ausschaltung von Konkurrenten
    • 1588: Sieg über die spanische Armada
    • 1598: Schließung des Stahlhofes (Ausschaltung der Hanse)
  • Gründung von Handelskompanien (Ostindienkompanie)
  • Erwerb von Kolonien in Asien, Afrika und Nordamerika
  • 1648-1688: Bürgerliche Revolution in England
    • 1649: Hinrichtung von König Karl I
    • 1653: O. Cromwell wurde Lord Protector
    • 1658: Restauration, Refeudalisierung, alte Religion
    • 1688: Glorreiche Revolution >> Parlament übernahm Macht
  • 1689: "Bill of Rights" >> Bürgertum ist die herrschende Klasse
    • Sicherung des Bürgertums vor der Willkür des Adels
    • König wurde zur Einhaltung der Gesetze verpflichtet
  • >> aus England wurde eine konstitutionelle Monarchie
  • 1707: Vereinigung von England und Schottland
  • ab 1660: Entstehung des Großgrundbesitzes (Einhegungen)
    • >> mehr Produkte
  • >> Bevölkerungswachstum
    • Masse von Lohnarbeitern
    • gesteigerte Nachfrage nach landwirtschaftlichen Produkten
  • neue Handels- und Finanzpolitik
    • Finanzierung mittels Anleihen und Krediten
    • 1694: Gründung der "Bank of England"
  • >> Verflechtung der Hochfinanz mit dem Staat
    • >> Einfluss auf die Politik
  1. enormes Finanzkapital
    • Reinvestition in England
    • >> Steigerung der Wirtschaftskraft
  2. technische Erfindungen
    • 1764: Spinning Jenny
    • 1769: Water Frame
    • 1769: Dampfmaschine
    • 1814: Lokomotive
  3. neue Produktionsverfahren
    • neue Berufe
    • Entstehung von Großstädten und Ballungszentren
    • Landflucht >> Urbanisierung
    • Ausbau der Infrastruktur

Industrialisierung in Deutschland

Die Situation in Deutschland im beginnenden 19. Jhd.:

  • politische Situation:
    • kein einheitlicher Nationalstaat
    • Absolutismus in den Einzelstaaten
    • keine Sicherung der bürgerlichen Grundrechte
  • ökonomische Situation:
    • kein einheitlicher Binnenmarkt
    • abweichende Währungen, Maße, Gewichte
    • Existenz des Zunftwesens behindert Handel
    • merkantilistische Wirtschaftspolitik der Fürsten
    • unrentable Landwirtschaft
  • gesellschaftliche Situation:
    • Ständegesellschaft
    • feudalabhängige Bauern
    • Standesschranken
    • Bevölkerungswachstum
  • geografisch-geologische Situation:
    • meiste Länder Deutschlands sind Binnenstaaten >> kein Zugang zum Meer
    • Rohstoffmangel
    • schlechte Infrastruktur

Schaffung günstiger Bedingungen für die Industrialisierung ist dringend notwendig

Industrialisierung in Preußen

Die staatliche Modernisierung am Beispiel Preußen

Anlass: Niederlage gegen Frankreich
Ziel: Wiederherstellung der preußischen Großmachtstellung
Mittel: Reformen
Persönlichkeiten: Freiherr von und zum Stein, Karl August Fürst von Hardenberg, Wilhelm von Humboldt, Graf Augustvon Gneisenau
  1. 1807: Oktoberedikt - Bauernbefreiung (Aufhebung der Gutsuntertänigkeit)
    • Abschaffung der persönlichen Beschränkungen
    • ständische Beschränkungen wurden abgeschafft
    • freier Erwerb von Grund und Boden
  2. 1808-1812: Heeresreform
    • Bildung eines Volksheeres
      1. stehendes Heer
      2. Landsturm
    • Abschaffung des Adelsprivilegs auf Offiziersstellen
    • Abschaffung der Prügelstrafe
    • Organisation der preußischen Armee nach französischem Vorbild
    • Einführung der Wehrpflicht
  3. ab 1806: Regierungsreform
    • Gründung von Ministerien (Finanzen, Krieg, Justiz, Innere, Äußeres)
    • Einteilung Preußens in Provinzen >> effektivere Staatsverwaltung
  4. 1808: Städteordnung
    • königlicher Beamter in der Stadt wurde abgeschafft
    • >>Selbstverwaltung der Städte >> Wahl des Bürgermeisters
  5. 1810: Bildungsreform
    • staatlich bezahlte Lehrer wurden in Volkshochschulen eingesetzt
    • Gymnasialordnung für Preußen eingeführt
    • Gründung Universität in Berlin
    • Freiheit von Forschung und Lehre
  6. 1811: Auflösung des Zunftwesens
    • Gewerbefreiheit
  7. 1812: Emanzipationsedikt für die Juden
    • Juden bekamen die selben staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten, durften jedoch keine Beamte oder Offiziere werden

Die Entstehung eines einheitlichen deutschen Wirtschaftsraumes

  • 1804: Reichsdeputationshauptschluss
    • >> verringerte Kleinstaaterei
  • 1806: Gründung Rheinbund
  • 1815: Gründung des Deutschen Bundes
  • Aufhebung der Binnenzölle in Preußen
    • >> einheitlicher preußischer Binnenmarkt
    • Schutzzollpolitik >> Hilfe der einheimischen Industrie
    • Ausbau der Infrastruktur und des Berg- und Hüttenwesens
  • 1828:
    • Gründung des Preußisch-Hessischen-Zollvereins
    • Gründung des Mitteldeutschen Zollvereins
    • Gründung des Bayrisch-Württembergischen Zollvereins
  • 1834: Gründung des Deutschen Zollvereins ohne Österreich
    • keine einheitlichen Maße, Münzen und Gewichte